Falsche Beweise

Was ist hier falsch?

1€=100\text{ct}=10\text{ct}\cdot 10\text{ct}=0,1€ \cdot 0,1€ = 0,01€ = 1\text{ct}

Aus Fehlern kann man im Allgemeinen sehr viel lernen. Sie demonstrieren auf anschauliche Art und Weise, worum etwas wichtig ist bzw. warum man es beachten sollte. In diesem Artikel habe ich drei Beweise/Umformungen zusammengestellt, die offenbar falsch sind und mehr oder weniger versteckt einen entscheidenden Fehler enthalten. Versuche jeweils zunächst selbst herauszufinden, wo der Fehler ist.

Schauen wir uns also mal die Gleichungskette oben etwas genauer an. Beim ersten Schritt werden nur die Einheiten umgewandelt, hier kann der Fehler nicht liegen. Genauso beim letzten Schritt.

Auf dem ersten Blick sieht die dritte Gleichung, also 10\text{ct} \cdot~10\text{ct}~=~0,1€~\cdot~0,1€, falsch aus. Durch diese Umformung war es ja erst möglich aus 100 eine 1 zu machen. Es ist definitv 10\text{ct}=0,1€ und das Ganze machen wir zweimal und nehmen das Produkt. Aber wir rechnet man mit dem Produkt von Geldbeträgen? Was soll das überhaupt sein, diese 10\text{ct} \cdot 10\text{ct}?

Was ist mit dem zweiten Gleichheitszeichen? Gilt 100\text{ct} = 10\text{ct} \cdot 10\text{ct}? Es ist 10 \cdot 10=100 und die Einheiten stimmen überein, was sollte hier also falsch sein? Es werden zwar die gleichen Einheiten betrachtet, auf der einen Seite steht aber ein Betrag und auf der anderen Seite ein Produkt. Tatsächlich wäre 10\text{ct} \cdot 10\text{ct}= 100\text{ct}^2, also 100 Quadratcent. Auch wenn man dafür keine Vorstellung hat, ist es nicht das Gleiche wie 100\text{ct}. Schließlich sind zum Beispiel Meter auch nicht das gleiche wie Quadratmeter! Wenn man den Fehler korrigiert, sieht die Gleichungskette ungefähr so aus:

1€=100\text{ct}=10\cdot 10\text{ct} = 10\cdot 0,1€=1€\;.

In der ursprünglichen Gleichungskette war die vierte Umformung natürlich auch falsch. Hier haben wir Euro genauso wie Qudrateuro behandelt.

An dieser falschen Umformung erkennt man, dass es tatsächlich wichtig ist, Einheiten zu beachten, insbesondere dass bei Gleichheiten auch die Einheiten übereinstimmen müssen.

2=1

Kommen wir nun zu einem „Beweis“ für 2=1.

Wir beginnen mit der dritten binomischen Formel, also dass für alle Zahlen a und b gilt:

(a+b)(a-b)=a^2-ab+ab-b^2=a^2-b^2

Insbesondere gilt die Gleichung für den Spezialfall a=b, also erhalten wir

(a+a)(a-a)=a^2-a^2 \;.

Die rechte Seite können wir etwas umschreiben, da beide Summanden den Faktor a enthalten:

(a+a)(a-a)=a(a-a)

Auf beiden Seiten ist der Faktor (a-a) enthalten, also können wir ihn auch weglassen und erhalten

a+a=a\;.

Diese Gleichung haben wir für beliebige a gefolgert, also können wir insbesondere a=1 einsetzen. Es folgt

2=1\;,

was zu zeigen war.

Was ist hier falsch?

Eine gute Strategie bei Fehlern in solchen Umformungen ist meistens, sich einzelne Gleichungen anzuschauen und für diese zu überprüfen, ob sie richtig oder falsch sind. Wenn man mit einer richtigen Aussage gestartet ist und bei einer falschen Aussage ankommt, muss es zwischendrin eine Umformung von einer richtigen zu einer falschen Aussage geben. Diese Umformung war dann nicht korrekt.

Die letzte Gleichung, dass 2=1 gilt, ist natürlich falsch. Auch die vorherige Gleichung 2a=a ist nicht richtig, weil sie für alle a gelten soll. Was ist mit der Gleichung (a+a)(a-a)=a(a-a) \;? Diese kann man noch vereinfachen, da (a-a)=0. Also steht hier tatsächlich 0=0, eine wahre Aussage.

Wir haben also eine Umformung von einen wahren zu einer falschen Aussage gefunden. Schauen wir uns das Argument für diesen Schritt noch einmal an. Auf beiden Seiten steht tatsächlich der Faktor (a-a). Dieser Faktor ist aber 0. Und einen Faktor 0 darf man nicht wegkürzen, weil man dann durch 0 teilt. Es ist 2\cdot 0= 1\cdot 0, wenn man die Nullen weglässt wird das aber falsch. Bei dem Beweis ist also das Problem, dass durch 0 geteilt wurde.

Die Gleichungen am Anfang sehen auch etwas komisch aus. Darf man in die binomische Formel wirklich a=b einsetzen? Tatsächlich ist das möglich, weil die binomische Formel ausmultiplizieren ist und gleiche Zahlen nicht ausgeschlossen sind. Bis auf diesen falschen Beweis ist es aber nicht nützlich, weil bei (a+a)(a-a)=a^2-a^2 schon auf beiden Seiten 0 steht.

Das Pferdeparadoxon

Abschließend beweisen wir noch, dass alle Pferde die gleiche Farbe haben. Die Aussage ist natürlich falsch, trotzdem ist das eigentlich kein richtiges Paradoxon, weil der Beweis nicht ganz fehlerlos sein wird. Der Fehler ist allerdings etwas versteckter als in den beiden vorherigen Beweisen.

Wir beweisen folgende Hilfsaussage.

In einer Gruppe von n Pferden haben alle Pferde die gleiche Farbe.

Der Beweis läuft über vollständige Induktion (siehe vorheriger Artikel).
Induktionsanfang(n=1): Bei nur einem Pferd haben natürlich alle Pferde die gleiche Farbe.
Induktionsschritt(n\rightarrow n+1):
Induktionsvoraussetzung: In einer Gruppen von n Pferden haben alle die gleiche Farbe.
Induktionsbehauptung: In einer Gruppe von n+1 Pferden haben alle die gleiche Farbe.
Beweis der Behauptung:
Wir haben n+1 Pferde gegeben. Zunächst lassen wir eines davon weg. Damit verbleiben n Pferde. Wir wenden die Induktionsvoraussetzung an und erhalten, dass diese n Pferde die gleiche Farbe haben. Es bleibt also noch zu zeigen, dass das verbleibende Pferd auch diese Farbe hat.

Dafür tauschen wir dieses mit einem der anderen n Pferde aus. Wir erhalten wieder eine Konstellation mit n Pferden und einem zusätzlichen Pferd. Wir wenden wiederum die Induktionsvoraussetzung an, also haben auch diese n Pferde die gleiche Farbe. Außerdem ist es die gleiche Gruppen von Pferden wie vorhin bis auf den Austausch. Daher entspricht die Farbe dieser Gruppe der Farbe der ursprünglichen Gruppe. Folglich hat das zusätzliche Pferd auch die gleiche Farbe, schließlich war es in einer der Gruppen. Also haben alle n+1 Pferde die gleiche Farbe. Damit ist der Induktionsschritt erbracht und die Induktion vollständig.

Was ist der Fehler?

Der Fehler liegt nicht darin, dass das Beweisprinzip der vollständigen Induktion nicht funktioniert, auch wenn man nach diesem Beweis daran zweifeln könnte. Allerdings sollte man überprüfen, ob sie richtig geführt wurde. Der Induktionsanfang ist gegeben und auch richtig. Der Induktionsschritt ist eine standardmäßige Folgerung von n auf n+1, hier kann der Fehler also nicht liegen. Auch hier ist es wieder eine gute Strategie, nach der ersten falschen Folgerung zu suchen, weil diese dann unter strenger Begutachtung erneut untersucht werden kann.

Die Hilfsaussage ist schon für n=2 falsch und die Induktion geht Schritt für Schritt vor. Es muss also irgendein Fehler beim Induktionsschritt 1\rightarrow2 passiert sein. Gehen wir also den Beweis des Induktionsschritts für n=1 durch. Wir haben also eine Gruppe von Pferden, die aus einem Pferd besteht und das zusätzliche Pferd. Die Gruppe hat natürlich die gleiche Farbe. Dann tauschen wir das zusätzliche Pferd durch ein Pferd in der Gruppe aus. Dafür gibt es nur eine Möglichkeit, wir haben also die beiden Pferde getauscht. Jetzt haben wir wieder eine Gruppe bestehend aus einem Pferd. Auch diese hat wieder die gleiche Farbe.

Abschließend wird argumentiert, dass die Farben der Gruppen gleich sein müssen. Das ist hier aber nicht zwingend notwendig, weil sich die Gruppen nicht überschnitten haben. Sie bestanden nur aus einem Pferd. In diesem Teil wurde also im Beweis vorausgesetzt, dass die Gruppe groß genug ist, also mindestens zwei Pferde enthält. Bei einer Induktion muss aber jeder Schritt stimmen, insbesondere der von 1 auf 2. Der Rest des Beweises ist richtig, zum Beispiel ist der Induktionsschritt von n=4 auf n=5 richtig. Hier wurde wieder aus etwas Falschem gefolgert.

Dieser „Beweis“ demonstriert auch, dass schon kleine Ungenauigkeiten große Auswirkungen haben können und Spezialfälle manchmal nicht unentscheidend sind.

Der nächste Artikel behandelt das Binärsystem.