Was ist 77 \cdot 75? Mit dieser Aufgabe werden wir uns in diesem Artikel intensiv beschäftigen. Dabei werden wir insgesamt acht verschiedene Rechenwege verwenden, die sich teilweise ähneln aber auch teilweise grundsätzlich verschieden sind. Dabei werden wir auch den wichtigsten Tipps begegnen, die das Rechnen deutlich vereinfachen.
Bevor wir beginnen, möchte ich noch einiges klarstellen, was häufig missverstanden wird. Zum Einen hat Rechnen erst einmal wenig mit Mathematik zu tun. Ein Mathematiker muss normalweise nicht berechnen, was 4532\cdot 7436 ist. Dafür gibt es schließlich auch einen Taschenrechner oder einen Computer. Für mich ist eine solche Aufgabe auch nicht das Faszinierende am Kopfrechnen. Die Berechnung ist aufwendig, kreativ nicht herausfordernd und zugegebenermaßen auch nicht wirklich interessant.
Beim Rechnen dieser Aufgabe kann man auch nicht besonders viel lernen, man trainiert nur schneller diesen Algorithmus auszuführen. Kopfrechnen muss aber nicht so sein! Ich möchte hier zeigen, wie man Kopfrechenaufgaben anders als mit einem Standardansatz angehen kann. Die Idee ist gerade zu versuchen, einen geschickten, eleganten und vor allem auch wenig aufwendigen Weg zu finden, die Aufgabe zu lösen. Die Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten möchte ich hier demonstrieren.
Die meisten der vorgestellten Methoden lassen sich tatsächlich vollständig im Kopf durchführen. Vor allem bei der ersten ist es sinnvoll Stift und Papier zur Hand zu haben. Dann ist es kein „richtiges“ Kopfrechnen mehr, aber auch nicht so weit davon entfernt.
1. Die Schulmethode
In der Grundschule lernt man das schriftliche multiplizieren, indem man jeweils Produkte aus dem kleinen 1×1 bildet, diese dann entsprechend untereinanderschreibt und schließlich aufaddiert. Das sieht dann ungefähr so aus:
Diese Methode hat den Vorteil, dass im Wesentlichen nur das kleine 1×1 verwendet wird und alle Rechenschritte jeweils nicht umfangreich sind. Außerdem funktioniert diese Methode immer und ist nicht nur bei speziellen Aufgaben anwendbar. Der Nachteil ist, dass vergleichsweise viele Operationen durchgeführt werden müssen. Außerdem muss man relativ viel aufschreiben, was es schwierig macht, diese Methode vollständig im Kopf auszuführen, weil man sich das alles merken müsste.
Übrigens hätten wir uns hier auch schon das Leben etwas einfacher machen können, indem wir die beiden Faktoren vertauschen. Dann rechnen wir nämlich zweimal das gleiche Produkt aus.
2. Die Kreuzmethode
Die Kreuzmethode führt eigentlich die gleichen Rechnungen wie die Schulmethode aus. Dabei werden die Additionen für das Endergebnis schon während der Rechnung ausgeführt. Es sind insgesamt vier Multiplikation notwendig, nämlich das Produkt der Zehnerstellen, also 70\cdot 70, die Produkte aus kombinierter Einer- und Zehnerstelle, also 70\cdot 5 und 7 \cdot 70 sowie das Produkt der Einerstellen, nämlich 7 \cdot 5.
Diese möchten wir bei der Kreuzmethode geschickt zusammenfassen. Wir fangen von hinten an und bestimmen Schritt für Schritt die letzten Stellen des Ergebnisses. Für die letzte Stelle sind die Produkte, die eine Zehnerstelle enthalten nicht relevant, weil diese auf 0 enden. Also ist nur 7\cdot 5 = 35 entscheidend. Die letzte Stelle des Ergebnisses muss also eine 5 sein.
Für die vorletzte Stelle im Ergebnis, der Zehnerstelle, können wir das Produkt 70 \cdot 70 ignorieren, weil es auf zwei Nullen endet. Wir multiplizeren die kombinierten Produkte aus Zehner- und Einerstelle zusammen, also 70\cdot 5 + 7 \cdot 70 = 350 + 490 = 840\;. Wir können uns auch merken, dass wir gerade die Zehnerstelle berechnen und die Nullen auch weglassen. Dazu kommt aber noch die 35, die wir vorhin schon in den Einerstellen berechnet haben. Hier gehen wir vor wie der schriftlichen Addition. Bei 35 hatten wir dementsprechend einen Übertrag von 3, also haben wir insgesamt 35+49+3=87, in der Zehnerstelle des Ergebnis steht also eine 7 und wir bekommen einen Übertrag von 8. Das Ergebnis endet also auf 75.
Schließlich verbleibt noch 70\cdot 70. Die Nullen geben wieder, dass wir gerade die Hunderterstelle berechnen. Mit dem Übertrag haben wir also 7\cdot 7 +8 = 49 + 8 = 57. Wir schreiben 7 hin und haben einen Übertrag von 5. Da es keine weiteren Rechnungen gibt, können wir diesen gleich hinschreiben. Das Endergebnis ist also 5775.
Hier sind die einzelnen Schritt noch einmal graphisch zusammengefasst. Man kann auch die Herkunft des Begriffes „Kreuzmethode“ gut erkennen.
Diese Methode kann man auf beliebige Multiplikationen verallgemeinern. Bei größeren Multiplikationen gibt es dann entsprechend noch mehr Multiplikationen pro Stelle. Damit hat auch diese Methode den Vorteil, dass man sie auf alle Multiplikationen anwenden kann. Dafür ist sie genauso wie die Schulmethode recht aufwändig.
Gegenüber der Schulmethode sind die einzelnen Schritte etwas schwieriger, weil die Addition und Multiplikation verknüpft wird. Entsprechend muss man sich etwas mehr merken. Dafür muss man weniger aufschreiben und die Methode ist prinzipiell auch vollständig im Kopf ausführbar. Dann muss man sich die Ergebnisziffern von hinten merken.
3. Addition zum Quadrat
Kommen wir nun zu einer Berechnungsmethode, die spezifisch bei dieser Aufgabe gut funktioniert, dafür aber viel weniger rechenintensiv ist. Und zwar nutzen wir 77 \cdot 75 = 75 \cdot 75 + 2 \cdot 75. Wir berechnen also 75 zum Quadrat und addieren noch zweimal 75. Aber wieso sollte das jetzt einfacher sein? Das zweite Produkt ergibt 150 und für das Quadrat kommen wir zum ersten Trick.
Quadrate berechnen mit Endziffer 5
Wenn wir das Quadrat einer Zahl berechnen, die auf 5 endet, können wir wie folgt vorgehen. Schreiben wir die Zahl mal als a5, es steht also a für die Zahl, die vor der 5 kommt. Wenn wir 75 quadrieren, gilt a=7. Wir berechnen a \cdot (a+1) und hängen an das Ergebnis eine 25 an. Dann sind wir auch schon fertig. Für 75 nehmen wir also 7 \cdot 8=56 und hängen 25 an, erhalten also 5625.
Für 35^2 haben wir 3\cdot 4 = 12, also erhalten wir 35^2=1225. Bei 105^2 gilt a=10, also nehmen wir 10\cdot 11=110 und bekommen als Ergebnis 11025.
Warum funktioniert das? Dazu sollten wir uns zunächst überlegen, was es bedeutet, wenn man 25 anhängt. Das Ergebnis was man bei a \cdot (a+1) erhalten hat, wird dabei mit 100 multipliziert, dann addieren wir noch 25. Die Behauptung ist also, dass (a5)^2=a\cdot (a+1) \cdot 100 + 25 \;. Es gilt (wenn Zahlen vor Variablen stehen, steht das wie üblich für eine Multiplikation)
\begin{aligned}(10\cdot a + 5)^2 &= (10a+5)\cdot (10a +5) \\ &= 10a \cdot 10a + 10a \cdot 5 + 5 \cdot 10a + 5 \cdot 5 \\ &= 100a^2 + 50a + 50a + 25 \\ &= 100a^2 + 100a + 25 \\ &= 100(a^2+a) + 25\\ &= a(a+1) \cdot 100 + 25 \;.\end{aligned} Also funktioniert dieser Trick tatsächlich immer.
Für 77 \cdot 75 müssen wir also nur noch 5625 und 150 addieren, wir erhalten 5775. Diese Methode ist deutlich schneller und schöner als die vorherigen Wege. Die Schwierigkeit besteht darin, diesen Weg zu finden, weil das natürlich nicht bei jeder Aufgabe funktioniert.
4. Ausnutzen der binomischen Formel
Beim Multiplizieren kann man ziemlich häufig die 3. binomische Formel anwenden. Sie sagt aus, dass (a+b)(a-b)=a^2-b^2. Das liegt daran, dass sich beim Ausmultiplizieren Terme wegheben:
\begin{aligned}(a+b)(a-b)&=a\cdot a + a \cdot (-b) + b \cdot a + b \cdot (-b) \\&= a^2 - ab + ab -b^2 \\&= a^2 - b^2 \;.\end{aligned}Das kann man hier ausnutzen, indem man schreibt 77\cdot 75 = (76+1)(76-1) = 76^2 - 1^2\;. Im Wesentlichen müssen wir also nur noch das Quadrat von 76 bestimmen. Das ist hier jetzt wohl am einfachsten, indem man \begin{aligned}76^2 &= 76 \cdot 76 \\&= 75 \cdot 76 + 76 \\&= 75 \cdot 75 + 75 + 76 \\&= 5625 + 75 + 76 \\&= 5776\end{aligned} verwendet. Dann müssen wir nur noch 1 abziehen und erhalten 5775.
Die Methode sieht jetzt so aus, als würde man genau das Gleiche wie bei der dritten Methode machen. Auch hier sind wir von 75^2 ausgegangen. Der Punkt ist, dass die binomische Formel sehr viel häufiger anwendbar ist. Zum Beispiel hätten wir auch bei 68 \cdot 84 = (76-8)(76+8) = 76^2 - 8^2 = 5776 - 64 = 5712 diesen Trick anwenden können.
Die binomische Formel führt nicht bei wenigen Aufgaben zu einem sehr eleganten und wenig aufwändigem Rechenweg. Der Nachteil ist, dass sie bei Zahlen, die nicht so nahe beieinander liegen, nicht so gut funktioniert. Es ist außerdem hilfreich, wenn man relativ schnell und effizient Quadrate berechnen kann, weil leider nicht alle Zahlen auf 5 enden. Deswegen hier noch ein Trick für Quadratzahlen von 40 bis 60 und 90 bis 100.
Bei Quadraten von 40 bis 60 ist der Trick, die 50 geschickt auszunutzen und die binomische Formel andersherum zu benutzen. Ein Beispiel soll das klarmachen:
\begin{aligned}43^2 &= 43^2 - 7^2 + 7^2 \\&= (43+7)(43-7) + 7^2 \\&= 50 \cdot 36 + 49 \\&= 36 \cdot 100 \cdot \frac 12 + 49 \\&= 1800 + 49 \\&= 1849\;.\end{aligned}Bei Quadraten von 90 bis 100 nutzen wir 100:
\begin{aligned}96^2 &= 96^2 - 4^2 + 4^2 \\&= 100 \cdot 92 + 16 \\&= 9216\;.\end{aligned}Manchmal kann man auch durch geschicktes manipulieren der Aufgabenstellung ein besser handhabbares Produkt erhalten. Zum Beispiel könnte man statt 22 \cdot 46 auch 44 \cdot 46 (das sollte jetzt einfach für dich sein) ausrechnen und danach das Ergebnis halbieren.
Für die binomische Formel ist es besonders günstig, wenn beide Faktoren die gleiche Parität haben, das heißt, dass beide gerade oder beide ungerade sind. Dann können sie sich genau in der Mitte bei einer ganzen Zahl „treffen“. Wenn das nicht der Fall ist, kann man auch zunächst ein leicht verändertes Produkt ausrechnen und am Ende noch etwas addieren oder subtrahieren:
\begin{aligned}52 \cdot 69 &= 51 \cdot 69 + 69 \\&= 60^2 - 9^2 + 69 \\&= 3600 - 81 + 69 \\&= 3600 - 12 \\&= 3588 \;.\end{aligned}Wie du siehst, kann man diese Methode auf ganz viele verschieden Weisen anwenden. In den meisten Fällen ist es bei zwei zweistelligen Zahlen einfacher als die ersten beiden vorgestellten Methoden. Außerdem fördert es die Kreativität, nach einem solchen Weg zu suchen!
5. Drei Viertel von Hundert
Dieser Weg ist auch wieder sehr speziell für diese Aufgabe und sonst nicht besonders oft anwendbar. Die Idee ist 75~=~100~\cdot~3/4. Wir wollen also eigentlich wissen, was 3/4~\cdot~77 ist. Es ist 76 durch 4 teilbar, wobei 76/4~=~19, also 3/4~\cdot~76~=~19~\cdot~3~=~57. Damit ist \frac 34 \cdot 77 = 57 + \frac 34 = 57 + \frac 34 = 57,75\;. Also ist 75 \cdot 77 = 5775.
Dieser Rechenweg soll vor allem demonstrieren, dass es manchmal noch ganz andere Wege als die Standardmethode gibt und es sich lohnt, danach Ausschau zu halten.
6. Multiplikation mit 11
Jetzt wollen wir ausnutzen, dass die Multiplikation mit 11 vergleichsweise einfach ist. Der Plan ist 75 \cdot 77 = 75 \cdot 7 \cdot 11 auszunutzen, also 75 erst mit 7 malzunehmen und dann das Ergebnis mit 11 zu multiplizieren. Zunächst schauen wir uns an, wie die Multiplikation mit 11 funktioniert. Dabei nutzen wir 11 = 10 + 1. Wenn man beispielsweise 453 \cdot 11 berechnet, muss man nur 4530 und 453 addieren.
Das kann man noch etwas vereinfachen, indem man die zu multiplizierende Zahl von hinten durchgeht. Wir schreiben die letzte Ziffer ab für die letzte Stelle des Ergebnis. In diesem Beispiel ist das eine 3. Dann addieren wir jeweils nebeneinanderstehende Ziffern. Das sind nacheinander 3+5=8, dann 5+4=9. Am Ende müssen wir die 4 noch abschreiben. Unser Ergebnis ist also 4983. Hier noch ein größeres Beispiel:
13253152313321 \cdot 11 = 145784675446531 \;.In dem Beispiel kamen jetzt nur kleine Ziffern vor. Es kann passieren, dass diese Summe zweier nebeneinanderstehender Ziffern größer als 9 wird. Zum Beispiel passiert das bei 67 \cdot 11. Dann hat man einen Übertrag von 1, weswegen man die Rechnung auch von hinten durchführt. Wir schreiben 7 ab. Dann haben wir 6+7 = 13, schreiben also 3 und haben einen Übertrag von 1. Jetzt wollen wir die 6 abschreiben, müssen aber noch den Übertrag beachten. Insgesamt ist das Ergebnis also 737.
Es ist 75 \cdot 7 = 490 + 35 = 525 und 525 \cdot 11 = 5775, wobei wir den Trick angenehmerweise ohne Übertrag anwenden können. Also ist 75 \cdot 77 = 5775.
7. Multiplikation mit 5
Hier gehen wir vom Konzept ähnlich wie gerade vor, nur nutzen wir jetzt aus, dass die Multiplikation mit 5 recht einfach ist. Wir können nämlich mit 10 multiplizieren, also eine 0 anhängen, und dann halbieren. Wir nutzen aus, dass 75 = 3 \cdot 5 \cdot 5. Es ist 77 \cdot 3 = 210 + 21 = 231. Wenn wir 2310 halbieren, bekommen wir 1155. Beim Halbieren von 11550 erhalten wir 5775, das Endergebnis.
Zum Halbieren selbst habe ich jetzt keinen besonderen Trick. Es bietet sich an, von vorne nach hinten zu gehen. Für manche ist es möglicherweise einfacher, wenn man erst halbiert und dann mit 10 multipliziert. Die Hälfte von 231 ist vielleicht weniger abschreckend als die Hälfte von 2310, auch wenn es eigentlich die gleiche Aufgabe ist.
8. Faktoren geschickt zusammensetzen
Im Grunde ist diese Methode eine Verallgemeinerung der beiden vorherigen Methoden. Die Grundidee ist, das Produkt 75 \cdot 77 in kleinere Faktoren zu zerlegen und dann wieder geschickt zusammenzusetzen. Es ist 75 \cdot 77 = 3 \cdot 5 \cdot 5 \cdot 7 \cdot 11 \;. Wir haben schon gesehen, dass die Multiplikation mit 11 und 5 recht angenehm ist. Außerdem kann man Faktoren so zusammensetzen, dass Produkte nahe beieinander sind und man die binomische Formel anwenden kann. Wahrscheinlich würde man dann wieder bei 75 \cdot 77 landen. Manchmal kann man aber durch Neuzusammensetzung genau erreichen, dass man die binomische Formel schön anwenden kann, auch wenn es bei der Ursprungsaufgabe nicht möglich war. Ein Beispiel ist 84 \cdot 36, was man zu 54 \cdot 56 umstellen kann.
Eine Alternative ist, das Produkt so zusammenstellen, dass die Faktoren recht handlich sind. Beispielsweise lässt es sich einfacher mit Zahlen nahe an 100 multiplizieren und es ist 3 \cdot 5 \cdot 7 = 105. Wir müssen also noch 55 \cdot 105 ausrechnen, also 5500 + 5 \cdot 55. Für den zweiten Teil gibt es jetzt wieder ganz viele Möglichkeiten. Man kann 55 halbieren, 250 + 25 rechnen oder auch 25 \cdot 11 mit dem Trick bestimmen. Auf jeden Fall erhält man 5775.
Mit allen vorgestellten Methoden haben wir das gleiche Ergebnis erhalten, aber auf ganz verschiedene Art und Weisen. Wenn du es selbst noch ganz anders machen würdest, kannst du mir ja gerne einmal schreiben (info@mathelust.de).
Ich empfehle immer nach einem eleganten Weg zur Lösung zu suchen. Das gilt nicht nur für das Kopfrechnen. Häufig hat man die Option, einen einfachen aber aufwändigen und langwierigen Ansatz zu wählen oder eben zu überlegen, ob es geschickter geht. Wenn man keinen solchen Ansatz findet, kann man immer noch auf die Brechstange (hier: Kreuzmethode bzw. Schulmethode) zurückgreifen.
Im nächsten Artikel werden wir einen Algorithmus zur Wochentagsbestimmung eines gegeben Datums erarbeiten.